»DER UNFALL«
Vor uns baut sich eine bewaldete Insel auf und teilt den Fluß. Die Strömung nimmt zu, unsere Kajaks werden schneller. Wir hören auf zu paddeln, treiben auf den linken Flußarm zu.
Täusche ich mich oder kommen uns dort Wellen entgegen? Wie in einer Vision sehe ich uns kentern.
»Nach rechts!« rufe ich zu Ronald, der im Boot hinter mir treibt. Die Insel fliegt auf mich zu. Panisch paddle ich gegen die Strömung. Es hat keinen Sinn. Ich rase einem knorrigen, schiefen, ins Wasser ragenden Baum entgegen. Warum ich ausgerechnet jetzt an die Warnung meiner Großmutter denken muß, welche meinem Vater galt, wenn er mit uns im Moskwitsch die Alleen zu schnell befuhr, kann ich nicht erklären. »Manfred! Die Bäume sind nicht aus Gummi!« höre ich sie rufen ...
Der Aufprall ist hart. Dann, eine Sekunde etwa, ist alles friedlich. Das Boot steht still. Doch kurz darauf drückt es der Strom unter den Baumstamm. Gina und ich werden aus den Luken gerissen. Ich kann nicht mehr atmen. Wo ist oben, wo unten? Ich werde hinabgezogen, schieße an die Oberfläche, ringe nach Luft. Mein Schuh klemmt in der Fußstütze. Ich tauche, taste mich am Bein entlang, suche den Klettverschluß, finde ihn, reiße ihn auf. Schnell zerre ich meinen Fuß heraus und bin endlich befreit.
Sofort greift die Strömung nach mir. Nirgends kann ich mich festhalten. Ich versuche zu schwimmen, meinen Kopf über dem Wasser zu behalten. Wie ein abgebrochener Ast werde ich vom Strom mitgerissen. Kajak und Gepäck treiben an mir vorbei. Ich sehe, wie Gina das Ufer erreicht.
Und während ich noch immer versuche, nicht zu ertrinken, laufen Bilder wie in einem Film in mir ab. Nicht die klassische Das-ganze-Leben-zieht-an-mir-vorbei-Story, nein, ich sehe Ronald und mich im VW-Bus sitzen und nach Hause fahren. Stumm. Traurig. Wieder eine vermasselte Reise! In Rostock zeigen Passanten auf uns, lachen. »Schaut! Da kommen die Versager!«